Menschenrechtsspaziergang

Unser Amnesty-Menschenrechtsspaziergang!

Wir haben lange daran gearbeitet, einen Spaziergang durch Heidelberg und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zu erarbeiten, den wir sowohl mit Audio- als auch mit Lesematerial begleiten. Jetzt freuen wir uns, mit dir durch Heidelberg spazieren zu können! Der Spaziergang dauert ca. 1-2 Stunden.

Die interaktive Karte zum Spaziergang findest du hier.
Den Flyer mit der Route zum Download findest du hier.

Für unterwegs kannst du dir unseren Menschenrechtsspaziergang auch auf Spotify anhören — alles weitere findest du hier!

 

1. Einleitung

Art. 1: Freiheit, Gleichheit, Solidarität


“Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Solidarität begegnen.”
So lautet der 1. Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (kurz: AEMR).

Aber kennt Ihr auch alle anderen Artikel dieser Erklärung?

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist das erste Dokument in der Geschichte der Menschheit, in dem die grundlegenden Rechte für jeden Menschen festgeschrieben sind und die überall auf der Welt gelten. Damit soll der größtmögliche Schutz aller Menschen gewährleistet werden. Die 30 Artikel der Erklärung wurden von den Vereinten Nationen 1948 beschlossen und legen den Grundstein für den internationalen Menschenrechtsschutz.

Als Amnesty Hochschulgruppe Heidelberg wollen wir mit Euch zusammen in den nächsten zwei Stunden wichtige Orte besuchen, um dort die Menschenrechte besser kennenzulernen. Wir sprechen darüber, wie wir die Menschenrechte im Alltag erleben, aber auch wie in der Geschichte Heidelbergs sowie heute noch die Rechte von Menschen verletzt werden.

Herzlich Willkommen bei unserem Menschrechtsspaziergang durch Heidelberg!

Bevor wir Euch etwas über den ersten Ort erzählen, der kurze Hinweis: Sowohl die Menschenrechte an den einzelnen Orten als auch die Orte selbst sind nur beispielhaft gewählt. Auch sprechen wir über verschiedene Formen von Rassismus und Diskriminierung – falls es Euch zu viel wird, könnt Ihr eine Pause einlegen oder die Station überspringen. Wir haben Euch die Stationen markiert. Außerdem freuen wir uns über Anmerkungen und Kritik.

Und nun wünschen wir Euch einen interessanten Spaziergang!


2. Stadtbücherei
(! Antisemitismus, Nationalsozialismus)

Art. 9: Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Ausweisung
Art. 19: Meinungs- und Informationsfreiheit


Die
Stadtbücherei Heidelberg ist ein Ort, der für viele Menschenrechte steht. Dort haben Menschen Zugang zu gedruckter Literatur sowie zu Online-Medien. Dadurch können sie auf beliebig viele Informationen zugreifen und Wissen abrufen. So gewährleisten Büchereien Artikel 19 der AEMR: die Meinungs- und Informationsfreiheit. Diese garantiert zum einen das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert Informationen zu beschaffen. Zum anderen sichert Artikel 19 AEMR das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift, Bild und Gesten frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei müssen bestimmte Schranken eingehalten werden – zu diesen zählen z.B. die Achtung des Rufes anderer Personen, Rassistische Hetze oder der Aufruf zu Gewalthandlungen.

Und wenn wir nun ein paar Schritte nach rechts gehen, sehen wir das  Mahnmal zum Gedenken an die Deportation der Heidelberger und Kraichgauer Jüd*innen. Der Gedenkstein steht in der Nähe des ehemaligen Gleises 1, an dem 1940 über 6.500 jüdische Bürger*innen in Zügen in das Konzentrationslager GURS in den Pyrenäen  deportiert wurden. in die Pyrenäen. Viele Menschen starben wegen der dortigen Lebensbedingungen oder weil sie in weitere Lager, wie z.B. das Vernichtungslager in Auschwitz-Birkenau, verschleppt wurden. Artikel 9 der AEMR garantiert heute den Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Ausweisung, um Menschen Schutz vor solchen ungerechten und wahllosen Handlungen zu bieten.

Der nächste Stopp ist das ehemalige Quartier der Heidelberger Gestapo in der Bunsenstraße 19a.


3. Ehemalige Heidelberger Gestapo
(! Nationalsozialismus)

Art. 8: Anspruch auf Rechtsschutz
Art. 9: Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Ausweisung
Art. 10: Anspruch auf rechtliches Gehör
Art. 11: Unschuldsvermutung/Keine Strafe ohne Gesetz


Die
ehemalige (Heidelberger) Gestapo saß anfangs in einem Gebäude der Polizeiverwaltung. 1940 deportierte sie die jüdischen Bewohner*innen des Hauses in der Bunsenstraße 19a in das Lager GURS und missbrauchte anschließend das Haus als ihr Quartier. Bereits 1933 wurde die Geheime Staatspolizei etabliert und begründete die sogenannte „Schutzhaft“, die eine willkürliche Einweisung in Schutzhaftlager und Konzentrationslager ermöglichte. Damit verstieß sie gegen den heutigen Artikel 9 der AEMR, der dem Individuum den Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Ausweisung zuspricht.

Ab 1936 entfiel durch das dritte Gesetz zur Geheimen Staatspolizei auch die Kontrolle durch juristische Institutionen. Damit musste sich die Gestapo an keine Gesetze mehr halten und konnte ohne Beweismittel beschuldigen und bestrafen. Sie verstieß somit gegen den heute geltenden  Artikel 11 der AEMR, dem die Unschuldsvermutung sowie der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“ zugrunde liegen.

Im selben Jahr wurde der gesamte Polizeiapparat umstrukturiert und immer enger mit der Schutzstaffel verwoben. Es konnte kaum noch zwischen „Polizeiarbeit“ und parteiinternen Angelegenheiten der NSDAP unterschieden werden. Die einzelne Person hatte somit erst recht keine Ansprüche, ihre Rechte vor dem Staat geltend zu machen und musste sich den ideologischen Forderungen des etablierten Regimes unterwerfen. Damit erlosch auch der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 10 und der Anspruch auf Rechtsschutz nach Art. 8 der AEMR.

Weiter geht es mit der Station “Brot und Salz. Der Diakonieladen” in der Plöck. 


4. Brot und Salz. Der Diakonieladen

Art. 22: Recht auf soziale Sicherheit
Art. 25: Recht auf einen angemessenen Lebensstandard


Der
Diakonieladen Brot und Salz in Heidelberg bietet seit 1999 Menschen die Möglichkeit, für wenig Geld Lebensmittel sowie weitere lebenswichtige Ressourcen zu kaufen. Er hilft den Artikel 25 der AEMR zu sichern: das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard. Darunter versteht man, dass jedem Menschen trotz finanzieller Not ein soziales Existenzminium gewährleistet und der Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen geschaffen werden soll. Dazu gehören beispielsweise sauberes Wasser, Essen, ärztliche Hilfe, Kleidung und Hygieneartikel.

Durch die Arbeit und das Angebot des Diakonieladens soll den Menschen ein Teil ihrer Sorgen genommen werden. Dadurch verwirklicht der Diakonieladen gleichzeitig auch Artikel 22 der AEMR: das Recht auf soziale Sicherheit. Den Menschen soll so  ein Leben in Würde ermöglicht werden und so zur freien Entfaltung der Persönlichkeit beitragen.

Die nächste Station ist der Asylarbeitskreis Heidelberg e.V., der sich ebenfalls in der Plöck befindet, also einfach noch ein bisschen weiter gehen.


5. Asylarbeitskreis Heidelberg e.V.

Art. 14: Recht auf Asyl


Der
Asylarbeitskreis Heidelberg e.V. übernimmt seit 2001 im Auftrag der Stadt Heidelberg die Organisation und Koordination des bürgerschaftlichen Engagements für die Familien von Geflüchteten und für Asylsuchende. Menschen erhalten vom Asylarbeitskreis Rechtshilfe und Informationen zu ihrem Recht auf Asyl sowie eine Vielfalt anderer Unterstützung, zum Beispiel Deutschkurse, Freizeitaktivitäten oder politische Öffentlichkeitsarbeit.

Das  Recht auf Asyl ist in Artikel 14 der AEMR verankert. Es ist das Recht, Asyl zu suchen und zu genießen. Wird dieses von einem Staat gewährleistet, steht der verfolgten Person zu, in diesem Staat Schutz zu erhalten und von dort nicht abgeschoben zu werden.

Als Nächstes wollen wir die Theodor-Heuss-Realschule anschauen, dafür einfach ein paar Schritte weiter laufen – wir stehen schon direkt davor.


6. Theodor-Heuss-Realschule

Art. 26: Recht auf Bildung, Erziehungsziele, Elternrecht


Beispielhaft für alle staatlichen Schulen stehen wir hier vor der
Theodor-Heuss-Realschule. Artikel 26 der AEMR sichert das Recht auf Bildung. Es besagt, dass Staaten eine Ausbildung, also sowohl den Unterricht als auch die dafür nötigen Einrichtungen, gewährleisten müssen. Dazu zählen Gebäude, sanitäre Einrichtungen für alle Geschlechter, hygienisches Trinkwasser, ausgebildete Lehrer*innen sowie Lehrmaterialien. Dieses Menschenrecht geht auch einher mit dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Das bedeutet insbesondere, dass Fach- und Berufsschulunterricht allgemein verfügbar gemacht werden muss. Für uns als Hochschulgruppe ist wichtig, dass auch der Hochschulunterricht allen gleichermaßen entsprechend ihrer Fähigkeiten offensteht. Bildung spielt eine zentrale Rolle bei der Befähigung von Menschen, eigenständig für ihre Rechte einzutreten und sich aus sozialen Notlagen und Armut zu befreien.

Weiter geht es auf dem Universitätsplatz.


7. Universitätsplatz
(! Antisemitismus, Nationalsozialismus)

Art. 7: Gleichheit vor dem Gesetz
Art. 18: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
Art. 19: Meinungs- und Informationsfreiheit
Art. 20: Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit


Der
Universitätsplatz ist ein an der Heidelberger Hauptstraße gelegener öffentlicher Platz, welcher viele Funktionen innehat und damit einige Menschenrechte verwirklicht. Zum Beispiel Artikel 18 der AEMR, die Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit und Artikel 19, die Meinungs- und Informationsfreiheit.
An diese erinnert die Gedenkplatte zur Bücherverbrennung im Jahr 1933. An jenen Tagen verbrannten nationalsozialistische Studierende sogenannte „marxistische und undeutsche“ Schriften auf dem Universitätsplatz. Das Vorgehen war Teil der geplanten und inszenierten „Aktion wider den undeutschen Geist“, welche den Beginn systematischer Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller*innen markierte. Hierin lag ein klarer Verstoß gegen die eben angeführten Artikel. Durch die Verbrennung der Bücher sollten die Menschen, vor allem Studierende, an der Bildung einer eigenen, gegensätzlichen Meinung gehindert und Gedanken und Gewissen in die politische Richtung des nationalsozialistischen Regimes gelenkt werden.

Ein weiteres Recht, das auf dem Universitätsplatz durch regelmäßige Kundgebungen und Demonstrationen ausgeübt wird, ist Artikel 20 der AEMR: die Versammlungsfreiheit. Diese meint das Recht zur Entscheidung, Bildung und Einberufung von Versammlungen sowie den Schutz dieser – sofern sie friedlicher Natur sind.
Zuletzt sei hier am Universitätsplatz aufgrund der engen Verknüpfung zum studentischen Geschehen noch auf die Person der Marianne Weber hingewiesen. Sie setzte sich nicht nur für die universitäre Gleichberechtigung, sondern auch für die Gleichstellung in der Ehe ein. Schon bald machte sie sich einen Namen als Frauenrechtlerin, Politikerin und Rechtshistorikerin und bekam 1922 die Ehrendoktorwürde der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg verliehen. Ab 1919 war sie Leiterin des Bundes Deutscher Frauenvereine und wurde als Abgeordnete der Deutschen Demokratischen Partei in die badische Nationalversammlung gewählt. Sie war eine Vorreiterin auf dem Gebiet des Kampfes für die Gleichheit vor dem Gesetz, welche in Artikel 7 der AEMR verankert ist.

Der nächste Stopp ist das ehemalige Amtsgefängnis “Fauler Pelz”, das wir von der Kettengasse aus anschauen.


8. Ehemaliges Amtsgefängnis „Fauler Pelz“

Art. 3: Recht auf Leben und Freiheit
Art. 5: Verbot der Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung


Das
ehemalige Amtsgefängnis „Fauler Pelz“ wird heute nur noch für Führungen und Filmproduktionen genutzt. Davor diente es dem Untersuchungshaftvollzug und dient im Rahmen unseres Menschenrechtsspaziergangs daher als Symbol des Strafvollzugs. Der Strafvollzug in Deutschland soll heute sicherstellen, dass u.a. die in Art. 3 und Art. 5 AEMR gesicherten Rechte gewährleistet werden. Artikel 3 AEMR sichert das Recht auf Leben und Freiheit. Dieser Artikel umfasst allerdings kein konkretes Verbot von Hinrichtungen, weshalb in den meisten Staaten der Welt die Todesstrafe für schwere Verbrechen nach wie vor in Kraft ist. Allerdings erwächst zusammen mit Artikel 5 der AEMR, dem Verbot der grausamen Bestrafung sich für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen. Deshalb setzt sich Amnesty International aktiv für eine weltweite Abschaffung des Todesstrafe ein – in Deutschland ist diese seit 1949 mit Art. 102 GG verboten. Die letzte Hinrichtung in Heidelberg fand im Jahre 1844 statt, als Christina Beckenbach als sog. „Gattenmörderin“ durch das großherzogliche Hofgericht zur Enthauptung verurteilt wurde.

Artikel 5 der AEMR übernimmt außerdem die wichtige Rolle, Folter sowie unmenschliche und erniedrigende Behandlung zu verbieten. Darunter versteht man die absichtliche Zufügung schwerer Schmerzen oder erheblicher psychischer Leiden. Wie zum Beispiel Verhörtechniken mit Nahrungs- oder Schlafentzug oder die Androhung physischer Gewalt gegenüber Entführer*innen.

Die nächste Station “Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma” erreichen wir über die Zwingerstraße.


9. Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
(!
Antiziganismus, Nationalsozialismus)

Art. 2: Verbot der Diskriminierung


Das
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma ist die wichtigste deutsche Gedenkstätte für die Opfer des Porajmos, die NS-Verfolgung der Sinti*zze und Roma*nja. In dem Zentrum wird die über 600-jährige Geschichte dieser Gruppen in Deutschland dokumentiert und die Geschichten von Überlebenden weitererzählt. Das Zentrum soll als Anlaufstelle der Bildung, Begegnung und des Dialoges dienen, in dem die Kultur der Sinti*zze und Roma*nja ausgelebt und kennengelernt werden kann. Es ist folglich ein Ort der Menschenrechte mit dem Ziel neben Sinti*zze und Roma*nja auch anderen Minderheiten eine Stimme zu geben, diese vor Diskriminierung und rassistischer Gewalt zu schützen und Hilfestellungen für Betroffene anzubieten.

Durch seine Arbeit leistet das Zentrum einen wichtigen Beitrag zu Artikel 2 der AEMR: dem Verbot der Diskriminierung. Unter Diskriminierung versteht man die nachteilige Behandlung von Persone ohne sachliche und vernünftige Rechtfertigung. Das heißt keine Person darf aufgrund ihrer Ethnizität, ihrer Abstammung, ihrer nationalen oder sozialen Herkunft, ihrer Sprache, ihrem physischen Äußeren, ihrer Behinderung, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Alters, ihrer Religion oder ihrer politischer Überzeugung diskriminiert werden.

Als Nächstes geht es zum Marktplatz, hier empfiehlt es sich, einen kleinen Umweg über den Kornmarkt zu machen.


10. Marktplatz
(! Antisemitismus, Nationalsozialismus)

Art. 17: Recht auf Eigentum


Nach
Artikel 17 der AEMR besteht ein Recht auf Eigentum, das heißt ein Recht auf den Schutz des Erworbenen. Es erlaubt die Entziehung und reguliert die Benutzung von Privateigentum im Allgemeininteresse nur unter bestimmten Bedingungen. Am Marktplatz hat bis zum Jahr 1938 das Ehepaar Oppenheimer gewohnt und ein Antiquitätengeschäft geführt. Im Jahre 1933 wurde ihr Geschäft auf die NSDAP-Listen der zu boykottierenden Geschäfte gesetzt. In der Reichspogromnacht im Jahr 1938 wurden Wohnung, Geschäft und Lagerraum verwüstet. In ganz Heidelberg wurden im selben Jahr fast alle jüdischen Geschäftsinhaber*innen rechtsgrundlos enteignet. Ein großer Teil des Privateigentums der jüdischen Familien wurde anschließend versteigert oder verschwand spurlos.

1940 wurde das Ehepaar mit 299 weiteren jüdischen Heidelberger*innen in das Konzentrationslager GURS deportiert. Leopold Oppenheimer starb am 23. November 1940, Babette Oppenheimer wurde am 30. November 1940 entlassen und starb am 1. September 1944. Heute erinnern Stolpersteine vor dem Haus an das Ehepaar und ihr Schicksal.

Vom Marktplatz hat man auch Blick auf das Rathaus mit den Bürger*innenamt.


11. Bürger*innenamt

Art. 6: Anerkennung als Rechtsperson
Art. 15: Recht auf Staatsangehörigkeit
Art. 16: Ehefreiheit und Schutz der Familie
Art. 21: Allgemeines und gleiches Wahlrecht/Zulassung zu öffentlichen Ämtern


Artikel 6
der AEMR beschreibt das Recht auf die Anerkennung als Rechtsperson. Das bedeutet, dass Menschen nicht als Objekte behandelt werden dürfen und keine Unterscheidung zwischen Staatsbürger*innen und Fremden gemacht werden darf. Das Bürger*innenamt in der Heidelberger Altstadt ist dafür zuständig, die Registrierung in dem deutschen Staat zu ermöglichen. Erst mit der Registrierung können viele Rechte, wie z.B. das Stimmrecht, ausgeübt werden.

In Artikel 15 der AEMR wird jedem Menschen das Recht auf Staatsangehörigkeit zugesprochen. Niemandem darf die Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen oder das Recht versagt werden, die Staatsangehörigkeit zu wechseln. Auch Artikel 21, das allgemeine und gleiche Wahlrecht, kann im Bürger*innenamt ausgeübt werden. Dadurch soll jede Person das Recht haben, die politische Ausrichtung mitzubestimmen. Das schließt auch mit ein, dass sich jede Person  zur Wahl aufstellen lassen kann und damit die Möglichkeit zur Leitung öffentlicher Angelegenheiten hat.

Im Rathaus befindet sich außerdem das Standesamt der Stadt Heidelberg. In der AEMR werden in Artikel 16 Ehe und Familie gestärkt. Danach hat jede Person im heiratsfähigen Alter das Recht, eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen, die durch den Staat geschützt werden soll.  Diese Rechte müssen allen Menschen ohne Beschränkungen aufgrund rassistischer Zuschreibungen, der Staatsangehörigkeit, dem Geschlecht, der Sexualität oder der Religion gewährt werden.

Weiter geht es in der Kneipenstraße Heidelbergs, der “Unteren”, und der Bahr “Mohr!”.


12. Mohr!
(! Sklaverei)

Art. 4: Verbot der Sklaverei und des Sklavenhandels


Das
Mohr! ist eine Bar in der Unteren Straße in Heidelberg, die bis vor kurzem noch „Gasthaus zum Mohren“ hieß. Sowohl der alte als auch der neue Name sind jedoch problematisch. Sie lassen an einer kritischen Auseinandersetzung und dem Eingestehen der eigenen Verantwortung in Bezug auf die koloniale Vergangenheit zweifeln.

Mangelnder kritischer Umgang mit der Ausbeutung und Unterdrückung schwarzer Menschen durch Europäer*innen relativiert die historische Entstehung und (aktuelle) Bedeutung des Artikel 4 der AEMR. Das Verbot der Sklaverei und des Sklavenhandels besagt, dass ein Mensch nicht zum Objekt degradiert und als Eigentum eines anderen behandelt werden darf. Auch wenn die Wurzeln des Artikels in der Vergangenheit liegen, hat er auch heute eine wichtige Bedeutung. Nicht nur, um die eben genannte kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit anzumahnen, sondern auch um modernere Formen der Sklaverei, wie zum Beispiel die Zwangsarbeit, zu verbieten.

Wir biegen rechts ab, um die kleine Mantelgasse und erreichen über die Lauerstraße den alten Synagogenplatz.


13. Alter Synagogenplatz
(! Antisemitismus, Nationalsozialismus)

Art. 18: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit


Hier neben dem Marstall befindet sich der
Alte Synagogenplatz. Die damalige Synagoge wurde in der Reichspogromnacht am 10. November 1938 von den Nationalsozialisten niedergebrannt. Das damalige Verbot jüdischer Religionsausübung durch die Nationalsozialisten verstieß gegen Artikel 18 der AEMR, die Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Unter der Religionsfreiheit versteht man das Recht, sich eine religiöse oder areligiöse Überzeugung zu bilden. Dies beinhaltet auch die Freiheit, den Glauben nach außen zu tragen, sich zu den eigenen Überzeugungen zu bekennen und sie zu verbreiten.

Jetzt geht es auf die Hauptstraße der Heidelberger Altstadt. Dort finden wir die nächste Station, das “Zimmertheater”.


14. Zimmertheater

Art. 24: Recht auf Erholung und Freizeit
Art. 27: Freiheit des Kulturlebens


Das
Zimmertheater ist das älteste Privattheater Deutschlands im Herzen der Altstadt. Gegründet wurde es von fünf jungen Schauspieler*innen, die sich im Januar 1950 zu einem Theaterkollektiv zusammenfanden, um anderen Menschen ihre Liebe zum Schauspiel näherzubringen. Heutzutage werden dort zeitgenössisch-kritische Theaterstücke und Inszenierungen gespielt. Sie versuchen dem Publikum ein anderes Bild von der Gesellschaft und ihrer Entwicklung zu präsentieren und sie zum Nachdenken anzuregen. Nicht nur wird so Artikel 27 der AEMR, die Freiheit des Kulturlebens, gewährleistet, sondern den Zuschauer*innen gleichzeitig auch ein Recht auf Erholung und Freizeit zugesichert, wie es in Artikel 24 der AEMR verankert ist.

Wir biegen links in die Sandgasse, in der sich bei der Hausnummer 10 das Kellnerinnenheim befunden hat.


15. Kellnerinnenheim
(! Sexismus)

Art. 8: Anspruch auf Rechtsschutz


Das
Kellnerinnenheim wurde 1907 von Camilla Jellinek ins Leben gerufen. Diese übernahm wenige Jahre zuvor die Leitung der Heidelberger Rechtsschutzstelle – eine ausschließlich für Frauen gegründete Rechtsschutzstelle. Diese versuchte  Art. 8 der AEMR  für Frauen durchzusetzen: den Anspruch auf Rechtsschutz. Auffällig hoch in der Rechtsschutzstelle: die Anzahl Rat suchender Kellnerinnen, die aufgrund ihres als moralisch anrüchig bewerteten Berufes in unmittelbare Nähe zur Prostitution gestellt wurden. Aufgrund dessen leistete Camilla Jellinek Aufklärungsarbeit über die Versuchungen zur Prostitution, die sexuellen Übergriffe, die ausbeuterischen Gasthausbesitzer sowie die miserablen Arbeitsbedingungen, mit denen die Kellnerinnen konfrontiert waren. Um aus den Verflechtungen ausbrechen und Schutz finden zu können, gründete die Frauenrechtlerin als praktische Hilfestellung das Kellnerinnenheim. Der Erfolg war jedoch so gering, dass das Projekt bereits nach zwei Jahren wieder aufgegeben wurde.

Zurück geht es auf die Hauptstraße und wir lassen unsere Blicke über die ganzen Geschäfte schleifen.


16. Hauptstraße mit Verweis auf Gewerkschaften
(! Sklaverei)

Art. 4: Verbot der (modernen) Sklaverei und des Sklavenhandels
Art. 23: Recht auf Arbeit und gleichen Lohn/Koalitionsfreiheit


Art. 4
der AEMR spricht von dem Verbot der Sklaverei und des Sklavenhandels. Darunter versteht man, dass ein Mensch nicht als Eigentum eines anderen behandelt, also zum Objekt degradiert werden darf. Auch wenn die Wurzeln der Sklaverei in der Vergangenheit liegen, so hat sie leider auch heutzutage weiterhin Bestand. Sie zeigt sich dabei in neueren Formen, wie z.B. der Schuldknechtschaft, der Zwangsarbeit, der Verfügung über Familienangehörige und Kinder, dem Frauen- und Kinderhandel sowie der Zwangsheirat oder Zwangsprostitution, dem sogenannten „Human Trafficking“. Mit den eigenen Konsumentscheidungen können wir alle einen kleinen Beitrag zum Ende moderner Sklaverei leisten und Aufmerksamkeit auf dieses Problem lenken.

In Deutschland soll Art. 12 Abs. 3 GG, das Verbot der Zwangsarbeit, vor den modernen Formen der Sklaverei schützen. Gewerkschaften helfen bei der Sicherung von Arbeitsschutzgesetzen und setzen sich für einen besseren Arbeitsalltag von Beschäftigten ein und vertreten deren Interessen in wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Belangen. Faire Arbeitsbedingungen, faire Löhne und Rechtsschutz zählen u.a. zu ihren wichtigsten Aufgaben. Damit verwirklichen Gewerkschaften gleichzeitig das in Art. 23 der AEMR gesicherte Recht auf Arbeit und gleichen Lohn sowie das Recht auf Koalitionsfreiheit.

Und nun machen wir uns schon auf den Weg zum letzten Stopp: dem Bismarckplatz.


17. Bismarckplatz

Art. 12: Schutz der Freiheitssphäre des Einzelnen
Art. 13: Freizügigkeit und Auswanderungsfreiheit


Der
Bismarckplatz ist einer der größten Verkehrsknotenpunkte Heidelbergs, weshalb wir hier Art. 13 der AEMR, Freizügigkeit (und Auswanderungsfreiheit) ansprechen wollen. Unter “Freizügigkeit” versteht man das Recht, sich innerhalb des gesamten Bundesgebiets frei fortbewegen und umziehen zu können. Durch öffentliche Verkehrsmittel können Menschen die ihnen zustehende Freizügigkeit wahrnehmen.

Zudem wurden im Dezember 2019 am Bismarckplatz, als sogenannter Kriminalitätsbrennpunkt, Videokameras installiert. Dadurch ist neben verschiedenen Persönlichkeitsrechten auch Art. 12 der AEMR betroffen, welcher den Schutz der Freiheitssphäre des Einzelnen garantiert. In solchen Fällen ist eine ausführliche Interessenabwägung zwischen dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und den berechtigten Interessen einer Überwachung erforderlich und ein gesetzeskonformer Betrieb notwendig.


18. Schluss


Und damit sind wir am Ende unseres Spaziergangs angekommen.
Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt, mit uns etwas über die Menschenrechte der AEMR zu erfahren. Wir haben viel dazugelernt – ihr hoffentlich auch.

Falls wir Euer Interesse an der Arbeit von Amnesty International geweckt haben, schaut doch mal auf Amnesty.de oder bei unserer Hochschulgruppe vorbei. Wir treffen uns jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat um 19:30 Uhr und freuen uns sehr, wenn ihr den Weg zu uns findet.

Mehr Informationen zu unserer Gruppe findet ihr hier auf unserer Website und auf Instagram bei: amnesty_heidelberg.hsg

Hier findet ihr die gesamte Version der AEMR.

 

Quellen:

 

 

9. Januar 2024